Der Betriebsrat

Was ist betriebliche Mitbestimmung?

Fast alle Unternehmen der Lebensmittelindustrie in Deutschland sind „mitbestimmt“. Das bedeutet einerseits, dass ein Betriebsrat besteht und andererseits, dass mit einer Gewerkschaft, meist mit der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), Tarifverträge vereinbart worden sind (siehe Tarifvertrag). Bei der betrieblichen Mitbestimmung spielt der Betriebsrat eine ganz entscheidende Rolle im Arbeitsleben der deutschen Lebensmittelindustrie, denn es gibt viele Bestimmungen, die die Zusammenarbeit mit den Betriebsräten ganz klar umreißen.

GRÜNDUNG EINES BETRIEBSRATES

Wann ist ein Betriebsrat (BR) zu gründen? Wie ist die Rechtslage? Was macht ein Betriebsrat? Wo kann er unterstützen? Wie muss/soll/kann er von der Geschäftsführung eingebunden werden? Was sind die Rechte und Pflichten? Klare Antworten auf all diese Fragen finden sich im Betriebsverfassungsgesetz. Ein BR kann jederzeit gegründet werden, wenn in einem Betrieb mindestens 5 ständig wahlberechtigte Arbeitnehmer:innen beschäftigt sind. Und wahlberechtigt ist, wer Arbeitnehmer:in ist, dem Betrieb angehört und das 18. Lebensjahr vollendet hat. Insgesamt sind hierbei einige Formalien zu beachten und es gibt einen besonderen Kündigungsschutz für die Initiator:innen einer BR-Wahl. Und das ist gut so, denn niemand soll befürchten müssen, dass eine Wahl zum Betriebsrat nachteilig für ihn oder sie wäre. Ganz im Gegenteil: Unser Recht schützt an vielen Stellen die Arbeitnehmer:innen, die sich als Betriebsräte engagieren. Eine gute Übersicht zur Gründung eines BR finden Sie hier. Ist der BR gegründet, stellt sich die Frage, wie viele BR-Mitglieder es geben soll und wer von ihnen komplett von der Arbeit freizustellen ist, damit er sich ausschließlich auf die BR-Arbeit konzentrieren kann. Auch das ist klar im Gesetz geregelt:

•   200-500 Arbeitnehmer:innen = 1 freigestellter BR

•   501-900 = 2

•   901-1.500 = 3 

•   usw.

ARBEITSWEISE UND HAUPTAUFGABEN DES BR

Ist der BR gegründet und ist klar, wie groß das Gremium ist (bspw. 401-700 Mitarbeitende = 11 Betriebsräte), macht sich dieses an die Arbeit, gründet verschiedene Ausschüsse – beispielsweise einen Wirtschaftsausschuss – und bestimmt einen Vorsitzenden bzw. eine Vorsitzende und dessen/deren Stellvertreter:in. Diese beiden sind dann in der Regel auch die von der Arbeit komplett freigestellten Personen, die vom Arbeitgeber ganz normal weiter gemäß ihres ursprünglichen Arbeitsvertrages bezahlt werden. Diese beiden freigestellten Betriebsräte sind dann in aller Regel das Sprachrohr des Betriebsrates insgesamt und Ansprechpartner:innen für die Geschäftsleitung in allen Fragen, die zwischen diesen beiden Betriebsparteien zu verhandeln sind. Idealerweise findet auf dieser Ebene ein fruchtbarer Austausch statt und die beiden Freigestellten tragen dann das Gesprochene in ihr Gremium und kommen mit einer Entscheidung zurück. Das Gremium kann nur als Ganzes entscheiden, nicht der oder die Vorsitzende oder sein/ihr Stellvertreter allein. Und natürlich ist der Betriebsrat insgesamt, also jedes Mitglied des Gremiums, Ansprechpartner:in für alle Mitarbeitenden des Unternehmens und jedes Mitglied steht mit Rat und Tat bei Fragen für die Mitarbeitenden zur Verfügung.

Die Hauptaufgaben eines Betriebsrates können ganz leicht zusammengefasst werden, denn die Kernformel ist auch im Gesetz geregelt: Es geht um die Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber zum Wohle aller und zum Wohle des Betriebes. Auf die wichtigsten Handlungsfelder sei hier kurz hingewiesen. § 87 BertVG ist die sogenannte „Königin der Mitbestimmung“, denn bei allen hier geregelten Fragen kann der BR über eine Einigungsstelle den Arbeitgeber dazu zwingen, mit ihm eine Regelung zu vereinbaren, d.h. bei allen Fragen zur Ordnung des Betriebes (Regelungen zum Rauchen, zur Arbeitszeit, zu Urlaubsgrundsätzen, zur Verhütung von Arbeitsunfällen, usw.). Genau dieser § führt dazu, dass es in fast allen Unternehmen der deutschen Lebensmittelindustrie ausführliche Regelungen zu Arbeitszeit, Urlaub und Vergütungsstrukturen gibt. Wenn Sie hier unsicher sind, fragen Sie gern im Personalbüro oder beim BR nach. Dort werden Sie alle Unterlagen finden und sicher auch beraten.

EINSTELLUNG UND KÜNDIGUNG

Eine weitere Kernaufgabe des Betriebsrates ist sein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Einstellungen und der Kündigungen von Mitarbeitenden. Hier sind seitens des Arbeitgebers zwingend die Beteiligungsrechte des BR zu wahren.

Insbesondere beim Einstellungsprozess kann es daher manchmal zu Verzögerungen kommen. Also wundern Sie sich nicht, wenn Sie zwar eine mündliche Zusage Ihres neuen Arbeitgebers haben, aber der Vertrag noch nicht vorliegt. Ihr Arbeitgeber kann Ihnen erst dann einen Vertrag zusenden, wenn die Beteiligungsrechte des BR beachtet worden sind. Hier ist § 99 BetrVG von zentraler Bedeutung, denn der Arbeitgeber muss dem BR Ihre Unterlagen vorlegen. Erst wenn die Zustimmung des BRs vorliegt, kann der Arbeitgeber mit Ihnen einen Vertrag schließen. Natürlich gibt es Möglichkeiten für den Arbeitgeber, diese Zustimmung von einem Gericht ersetzen zu lassen, aber das ist in der Regel nicht nötig.

Ebenfalls ist der BR vor Ausspruch einer Kündigung zu beteiligen, d.h. er ist anzuhören. Hier ist § 102 BetrVG die entscheidende Norm. Wenn der Arbeitgeber Fehler bei der Anhörung des Betriebsrates macht, ist die Kündigung in der Regel unwirksam. Insofern hat der Betriebsrat auch hier wichtige Rechte, die zu beachten sind. Gleichwohl und das ist wichtig: Der Arbeitgeber allein entscheidet, wer in seinem Betrieb arbeitet und wer vielleicht gehen muss. Der BR kann zwar einer beabsichtigten Kündigung widersprechen, ultimativ verhindern kann er sie am Ende aber nicht. Denn auch wenn der BR einer beabsichtigten Kündigung im Wege der Anhörung widerspricht, kann der Arbeitgeber dennoch die Kündigung aussprechen. Allerdings muss er dann den zu kündigenden Mitarbeitenden mit der Kündigungserklärung eine Abschrift der Stellungnahme des Betriebsrates zuleiten.

Ausblick

Die betriebliche Mitbestimmung ist ein weites und wichtiges Feld und die Zusammenarbeit zwischen Geschäftsführung und Betriebsrat prägt ganz entscheidend das Klima in deutschen Unternehmen und so natürlich auch in Unternehmen der Lebensmittelindustrie. Überwiegend funktioniert diese Zusammenarbeit aber hervorragend und das Ziel – wie oben genannt – wird erreicht: Die zielführende Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat zum Wohle aller und zum Wohle des Betriebes.

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ÜBER THOMAS SCHULZ

Der Autor ist freiberuflicher Rechtsanwalt mit arbeitsrechtlichem Schwerpunkt. Darüber hinaus war er Human Resources Interim Manager sowie Dozent für Sozial- und Arbeitsrecht bei der IHK Allgäu/Schwaben und Köln und war 13 Jahre als Personalmanager tätig – davon 10 Jahre in der Bayerischen Milchindustrie. Seit Mai 2015 ist Thomas Schulz geschäftsführender Gesellschafter der Rau Interim GmbH mit Sitz in Warburg. Damit ist er der erste Interim Management Provider im deutschsprachigen Raum, der sich ausschließlich auf die Lebensmittelindustrie konzentriert. 

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