Unser Speiseplan in 2050: Quallenchips, grüner Kaviar oder Seegurkensuppe?

04.06.2021, foodjobs.de.

Am Leipniz-Zentrum für Marine Tropenforschung gehen Wissenschaftler der Frage nach, inwieweit das Meer Nahrungsressourcen birgt, die nachhaltig kultiviert werden können. Hoch im Kurs sind Quallen, Algen und Seegurken.

Allein in den letzten 120 Jahren hat sich die Anzahl der Weltbevölkerung mehr als versechsfacht. Während aktuell rund 7,8 Mrd. Menschen auf der Erde leben, rechnen Forscher damit, dass diese Zahl im Jahr 2050 bereits bei 10 Mrd. Menschen liegen wird. Umso wichtiger ist es deshalb, alternative Nahrungsquellen zu erforschen, die nachhaltig kultiviert werden können und einen hohen Nährwert beinhalten.

Am Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT) gehen Wissenschaftler deshalb der Frage nach, inwieweit das Meer mit seinem vielfältigen Reichtum an Lebewesen Nahrungsressourcen birgt, die bisher nicht oder noch kaum genutzt werden und inwiefern diese nachhaltig verwertet werden können. Dabei nahm das Forscherteam des ZMT besonders ein Tier genauer ins Visier: Die Qualle. Denn dieses vermehrungsfreudige Lebewesen, das zum Teil als Plage gilt, kommt nicht nur in allen Weltmeeren vor, sondern ist reich an verschiedenen Nährstoffen.

„Zwar bestehen Quallen zu rund 97% aus Wasser, ihre Trockenmasse hat aber ein interessantes Nährwertprofil, das dem anderer Meeresfrüchte gleicht. Quallen sind fettarm und bestehen hauptsächlich aus Eiweiß, das teilweise einen hohen Anteil an essentiellen Aminosäuren aufweist. Sie enthalten außerdem viele Mineralstoffe und mehrfach ungesättigte Fettsäuren“, erklärt Meeresbiologe Holger Kühnhold.

Für den Aufbau von Muskeln, Organen, Knochen oder Haut ist der Mensch auf Nahrungseiweiß angewiesen. Den Hauptteil, derjenigen Meeresbewohner, die wir in unserem täglichen Speiseplan beachten, machen dabei jedoch große Raubfische wie Lachs oder Thunfisch aus. „Leider ist das überhaupt nicht nachhaltig. Diese Fische benötigen zum Wachsen ein Vielfaches ihres Eigengewichts an kleinen Fischen. Auch in Aquakulturen muss dieser Bedarf mit Fischmehl und -öl von Wildfischen gedeckt werden“, so Kühnhold. Aus diesem Grund wäre es ratsamer, auf alternative Meeresfrüchte wie Quallen umzusteigen, die weniger anspruchsvolle Nahrung benötigen.

Im Rahmen des Kooperationsprojekts der Leibniz-Gemeinschaft „Food for Future“ widmet sich Kühnhold genau diesen noch weitgehend ungenutzten, jedoch reichlich vorhandenen Meeresbewohnern. „Lediglich in der asiatischen Küche findet man öfter mal Quallen in Suppen und Salaten. Dabei ist hinsichtlich ihrer großen Artenvielfalt davon auszugehen, dass ihr Potenzial für unsere Ernährung bei weitem noch nicht ausgeschöpft ist. Für Europäer könnten sie als kalorienarmes Superfood in Form von Chips oder Proteinpulver attraktiv werden“, verdeutlicht Kühnhold.

Bei seiner Forschung ermittelt Kühnhold den Nährwert verschiedener Quallenarten und prüft die Aufzucht in Aquakulturen. Sein Hoffnungsträger: Die Mangrovenqualle. Diese trägt kleine symbiotische Algen in ihrem Körper, die Photosynthese betreiben und der Qualle dadurch Energie liefern. Mithilfe von moderner LED-Technik könnte sich die Mangrovenqualle so auch für die Aufzucht in einem urbanen Umfeld eignen.

Neben Quallen rückt für das ZMT ebenfalls die Seegurke ins Scheinwerferlicht, von der es rund 1700 Arten gibt und die ebenfalls in allen Meeren vorkommen. Dieses Meereslebewesen, das bereits in weiten Teilen Südostasiens auf dem Speiseplan steht und sogar in Katalonien von Sterneköchen auf den Teller gebracht wird, ist reich an Proteinen, Spurenelement und heilungsfördernden Stoffen. Dank ihrer Nahrungszunahme, bei der sie den Meeresboden nach Detritus oder Mikroalgen durchwühlen, werden sie auch „Staubsauger der Meere“ genannt. Doch genau diese Angewohnheit macht die Seegurken für das Feld der Aquakultur interessant.

Die sogenannte integrierte Aquakultur vereint unterschiedliche Formen an Zuchttieren und -pflanzen, die in einer Koexistenz einen natürlichen Kreislauf schaffen. So werden beispielsweise Ausscheidungen oder Futterreste von Fischen wiederum von anderen Lebewesen als Nahrung verwendet, wodurch weniger Abfallstoffe anfallen und das Futter effizient genutzt wird. Aus diesem Grund untersucht das ZMT, welche Kombinationen an Tieren einen eindeutigen Mehrwert bringen würden, um so die besten Synergieeffekte zu erzielen.

Zu genau diesen könnten darüber hinaus auch Algen zählen, die ein breites Spektrum an nützlichen Inhaltsstoffen aufweisen und ebenfalls abfallverwertende Eigenschaften besitzen. Besonders eine Algenart, die umgangssprachlich auch „Grüner Kaviar“ genannt wird, hat es den Forschern angetan. Dieser stammt aus dem Indopazifik und ist mit seinen leicht salzig schmeckenden Kügelchen in Südostasien sehr gefragt, denn neben Proteinen und Mineralstoffen, stecken in den kleinen Kugeln zudem Antioxidantien und mehrfach ungesättigte Fettsäuren. Gegessen wird die Alge meist in Salaten oder als Beilage zum Sushi. Nun testet das ZMT in Kooperation mit Algenfarmen in Vietnam den Einsatz der grünen Wunderwaffe in der integrierten Aquakultur.

 

 


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