Tabuthema Gehalt: Darf man über sein Entgelt reden?

Häufig findet man in Arbeitsverträgen weitreichende Verschwiegenheitsklauseln. In solchen Klauseln finden sich manchmal pauschal formulierte Zusätze, in denen steht, dass der Mitarbeitende nicht mit Kolleg:innen über sein Gehalt sprechen darf.
Grundsätzlich kann der Arbeitgeber seinen Mitarbeitenden aber nicht pauschal verbieten, über ihr Gehalt zu sprechen und sich mit den Kolleg:innen diesbezüglich auszutauschen.
Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern hat hierzu im Jahr 2009 folgendes entschieden: „Eine Klausel, wonach der Arbeitnehmer verpflichtet ist, über seine Arbeitsvergütung auch gegenüber Arbeitskollegen Verschwiegenheit zu bewahren, ist unwirksam, da sie den Arbeitnehmer daran hindert, Verstöße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz im Rahmen der Lohngestaltung gegenüber dem Arbeitgeber erfolgreich geltend zu machen. Darüber hinaus verstößt sie gegen Art. 9 Abs. 3 GG.“ (LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 21.10.2009 – 2 Sa 183/09)
Der Arbeitgeber muss außerdem im Rahmen des Gleichbehandlungsgrundsatzes bei der Lohngestaltung fair sein, was wiederum die Arbeitnehmer:innen „überprüfen“ können müssen.
Neben dem Urteil des LAG Mecklenburg-Vorpommern, schützt die Arbeitnehmer:innen daher das sogenannte Entgelttransparenzgesetz aus dem Jahr 2017. Mit diesem Gesetz soll sichergestellt werden, dass Männer und Frauen für die gleiche Arbeit gleich bezahlt werden und Arbeitgeber auf Nachfrage Auskunft über die Entgeltstruktur in Bezug auf einzelne Vergleichsgruppen im Unternehmen geben müssen. Demnach sichern sowohl Judikatur als auch Gesetzgebung den Arbeitnehmer:innen grundsätzlich zu, über ihr Gehalt sprechen zu dürfen.
Aber wie so oft bei juristischen Fragestellungen heißt es auch hier: keine Regel ohne Ausnahme. Aus diesem Grund sagen wir Jurist:innen so gerne „grundsätzlich“. Denn in Ausnahmefällen kann es tatsächlich möglich sein, dass der Arbeitgeber mit einer wirksamen Klausel im Arbeitsvertrag seine Arbeitnehmer:innen zur Verschwiegenheit über ihr Entgelt verpflichten kann. Dies ist zwar eher die Ausnahme, jedoch unter Umständen vorstellbar, zum Beispiel wenn es um eine Gefährdung der Wettbewerbsfähigkeit des Arbeitgebers geht. In der Lebensmittelindustrie sind solche Fälle aber im Schnitt selten.
ÜBER THOMAS SCHULZ

Der Autor ist freiberuflicher Rechtsanwalt mit arbeitsrechtlichem Schwerpunkt. Darüber hinaus war er Human Resources Interim Manager sowie Dozent für Sozial- und Arbeitsrecht bei der IHK Allgäu/Schwaben und Köln und war 13 Jahre als Personalmanager tätig – davon 10 Jahre in der Bayerischen Milchindustrie. Seit Mai 2015 ist Thomas Schulz geschäftsführender Gesellschafter der Rau Interim GmbH mit Sitz in Warburg. Damit ist er der erste Interim Management Provider im deutschsprachigen Raum, der sich ausschließlich auf die Lebensmittelindustrie konzentriert.