Arbeitszeugnis
Zwischenzeugnis – Gratwanderung oder berechtigtes Interesse?
Ein gesetzlicher Anspruch auf ein qualifiziertes Zwischenzeugnis besteht, entgegen der gängigen Meinung, nicht. Deshalb machst Du Dich bei der Bitte nach einem Zwischenzeugnis ohne triftige und nachvollziehbare Gründe auf den ersten Blick erst einmal verdächtig, einen baldigen Jobwechsel zu planen.
So kann schnell ein Spannungsfeld entstehen: Auf der einen Seite Dein berechtigter persönlicher Wunsch nach einem Feedback zum eigenen Leistungsstandard, auf der anderen Seite ein falscher Eindruck bei Deinem Arbeitgeber. Denn gerade in der Lebensmittelindustrie herrscht großer Fachkräftemangel, da werden Vorgesetzte und Personalabteilungen schnell mal nervös, wenn jemand nach einem Zwischenzeugnis fragt. Auch ist nicht zu unterschätzen, dass die Erstellung eines qualifizierten Zeugnisses viel Arbeitsaufwand bedeutet.
Entspannter ist die Situation also, wenn Du aus triftigen und damit unverdächtigen Anlässen um ein Zwischenzeugnis bittest. Dies ist der Fall, wenn sich für Dich wichtige Rahmenbedingungen ändern, wie z.B.:
• Wechsel der Vorgesetzten oder eigene interne Weiterentwicklung
Hier hat man Anspruch auf eine Leistungsbeurteilung von den bisherigen Vorgesetzten. Denke unbedingt auch bei interner Versetzung daran!
• Bevorstehende Betriebsübernahme
Wenn Arbeitsplätze in Gefahr sind und umfangreiche Umstrukturierungen bevorstehen, herrscht Hochbetrieb bei den Personaler:innen. Und natürlich gibt es hier sehr gute Gründe für die Bitte nach einem Zwischenzeugnis. Mit Fingerspitzengefühl! Timing, gute Vorarbeit und Kommunikation werden hier besonders geschätzt.
• Erfolgreicher Abschluss einer beruflichen Weiterbildung bzw. Qualifizierung
Gemeint sind Weiterbildungen oder auch Qualifizierungen, die Ihnen auch deutliche Vorteile für Ihre weitere Karriere bieten. Also etwa der Abschluss eines MBA, einer Zusatzqualifikation mit Zertifizierung oder ähnliches.
• Längere Auszeiten durch Elternzeit oder ein Sabbatical
Solche Einschnitte im Berufsleben bieten sich an, um gemeinsam mit den Vorgesetzten und der Personalabteilung zu bewerten, wo Du mit Deinen Leistungen stehst. So eine Anfrage sollte in der Regel positiv aufgenommen werden, wenn Du klar machst, dass damit dann alle wissen, wo man nach Deiner Rückkehr gemeinsam anknüpfen kann.
Wie sollte ein Zwischenzeugnis angefordert werden?
Wenn Du Deine Situation für Dich gut reflektiert sowie eine Haltung und plausible Gründe für ein Zwischenzeugnis hast, dann solltest Du auf Deine Vorgesetzten zugehen. Mach das unbedingt persönlich und nicht per E-Mail oder gar mit einer „offiziellen“ Eingabe schriftlich! Nach dem persönlichen Gespräch – in dem Du Deine Gründe dargelegt hast – kannst Du in Stichpunkten für Deine Vorgesetzen nochmal kurz auflisten, was Deine Aufgaben und Erfolge im zu beurteilenden Zeitraum waren. Im Normalfall solltest Du Dich hier allein an die Fakten halten und nur vorsichtige Bewertungen Deiner Leistungen vornehmen. Denn diese Bewertung machen dann die Vorgesetzten mit der HR-Abteilung.
Die gute Nachricht: In manchen Unternehmen, insbesondere in Konzernen, ist es üblich, alle drei bis fünf Jahre eine Leistungsbeurteilung zu erhalten. In diesem Umfeld ist also die Frage nach einem Zwischenzeugnis völlig normal.
Was muss rein in ein Zwischenzeugnis?
Achtung: Ein Zwischenzeugnis ist mit seinen Wertungen immer wegweisend. Wer ein sehr gutes Zwischenzeugnis bekommen hat, kann zwei Jahre später kein völlig abweichendes schlechtes Endzeugnis bekommen. Formal unterscheidet sich das Zwischenzeugnis nur in Kleinigkeiten vom Arbeitszeugnis am Ende eines Beschäftigungsverhältnisses.
Für die Lebensmittelindustrie gibt es keine wirklich branchentypischen Formulierungen. Sehr old-fashioned, im Einzelhandel einmal üblich, wäre etwa „Er bzw. sie war stets ehrlich, fleißig und pünktlich“. Fehlte ein Punkt davon, war der Zeugnisempfänger bzw. die Zeugnisempfängerin sofort das Gegenteil. Damit sind wir bei der sogenannten „Geheimsprache“. (Zwischen-) Zeugnisse dürfen das berufliche Fortkommen von Arbeitnehmer:innen nämlich nicht behindern, müssen aber trotzdem wahr sein. Daher wird hier oft in verschachtelten Sätzen geschrieben, um versteckte Anmerkungen zu machen. Die darf es aber eigentlich nicht geben.
Unser Tipp: Checke Deine alten Arbeitszeugnisse mit der App arbeitszeugnis.io
Checkliste für die Inhalte eines Zwischenzeugnisses:
• Auf Überschrift "Zwischenzeugnis" achten.
• Nicht fehlen dürfen Deine Stammdaten (Name, Geburtsdatum, Wohnort) und Beginn des Beschäftigungsverhältnisses – ohne Enddatum!
• Stellenbezeichnung und Tätigkeitsbeschreibung, das heißt Deine Funktion und Aufgaben im Unternehmen werden dargestellt.
• Bei einem qualifizierten Zwischenzeugnis: Leistungsbeurteilung und Sozialverhalten, das beinhaltet z.B. Hinweise auf Deine Erfolge, Engagement, Übernahme von Verantwortung, Teamfähigkeit sowie Dein Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Kolleg:innen
• Schlussformel und Dank für die bisherige Zusammenarbeit
• Unterschrift, Datum, Firmenstempel
• Optional kann der Grund für die Ausstellung des Zwischenzeugnisses genannt werden
• Verwendet wird die Gegenwartsform (Präsens) bei der Formulierung
• Es muss wohlwollend und wahr sein
Bei Vorgesetzten und Personaler:innen wird es gern gesehen, wenn Du anhand von im Unternehmen vorliegenden Formularen oder sonstigen hilfreichen Unterlagen selbst schon ein Grundgerüst für dein Zeugnis vorbereitet hast. Verwende es als Diskussionsgrundlage mit Deinen Vorgesetzten, das Ihr gemeinsam vorantreibt und schließlich der Personalabteilung als Vorschlag unterbreitet.
Damit stehen Deine Chancen gut, dass die Personalabteilung Deinen Formulierungswünschen positiv gegenüber steht, denn über Arbeitserleichterung und gute Prozesse freut sich jeder.
ÜBER THOMAS SCHULZ
Der Autor ist freiberuflicher Rechtsanwalt mit arbeitsrechtlichem Schwerpunkt. Darüber hinaus war er Human Resources Interim Manager sowie Dozent für Sozial- und Arbeitsrecht bei der IHK Allgäu/Schwaben und Köln und war 13 Jahre als Personalmanager tätig – davon 10 Jahre in der Bayerischen Milchindustrie. Seit Mai 2015 ist Thomas Schulz geschäftsführender Gesellschafter der Rau Interim GmbH mit Sitz in Warburg. Damit ist er der erste Interim Management Provider im deutschsprachigen Raum, der sich ausschließlich auf die Lebensmittelindustrie konzentriert.